Ehrenbürgerurkunde der Stadt Weimar für Jacqueline Fleury-Marié im Rathaus von Versailles feierlich überreicht: Das PMG ist dabei!

Im letzten Schuljahr hat sich eine 13köpfige Gruppe des Philipp-Melanchthon-Gymnasiums Gerstungen am Wettbewerb „Unsere Geschichte Bertrand Herz“ beteiligt, der vom Institut français d’Allemagne und der französischen Botschaft ausgelobt wird. Alle Teilnehmenden waren aufgerufen, sich an biografischen Recherchen zu französischen Häftlingen, Zwangsarbeitern oder Kriegsgefangenen zu beteiligen und dabei vor allem direkt vor Ort nach Spuren dieser französischen Vergangenheit zu suchen.

Unsere Gruppe recherchierte zu Abteroda, einem kleinen Ort 10km von unserer Schule entfernt, an dem sich sowohl ein Zwangsarbeiterlager, als auch jeweils ein Außenkommando für männliche und für weibliche Häftlinge des KZ Buchenwald befand. Wir beschäftigten uns mit den Biografien der Gruppe französischer Häftlingsfrauen, alles Résistance-Kämpferinnen, zu denen auch Madame Fleury gehörte. Für unsere Arbeit haben wir im letzten Jahr den 1. Preis gewonnen, so dass unsere kleine Truppe bereits im Oktober in die französische Botschaft nach Berlin reisen durfte. Nun ging es noch einmal etwas weiter weg. Dieses Mal hieß es: auf nach Frankreich, Versailles wartet, der Wohnort von Jacqueline Fleury!

Am Montagabend, dem 11.03.2023 sollte im Rathaus von Versailles Jacqueline Fleury die Ehrenbürgerschaft Weimars verliehen werden. Dazu wurden wir freundlicherweise von Frau Günther (Initiatorin des Wettbewerbs) eingeladen, auch wenn diese nicht damit rechnete, dass alle Schüler zusagen würden. Tatsächlich dachte sie eher daran, dass nur die Lehrer und vielleicht zwei oder drei vereinzelte Schüler den Weg nach Versailles auf sich nehmen würden. Aber das Gegenteil war der Fall. Unsere 15-köpfige Gruppe versammelte sich einen Tag zuvor, am Sonntag, mit gepackten Taschen vor dem Gymnasium, um sich auf die mehr als 10-stündige Reise zu begeben. Die Aufregung war groß, größer aber wohl noch die Vorfreude. Für viele war es die erste Reise nach Frankreich. Und so war es auch gar nicht schlimm, dass wir uns bereits 05:45 Uhr trafen.

Schnell wird sich von den Eltern verabschiedet, bevor wir uns in den kleinen Bus quetschen und die Fahrt in Richtung Frankreich beginnt. Neben dem Zeitvertreib der Schüler, zu welchem schlafen, essen und lautstark lästern gehört, machen sich die Lehrer (Frau Schilg und Herr Rudloff) Stress, indem sie an der Rede feilen, welche die Schüler am nächsten Tag im Versailler Rathaus vortragen dürfen. Da muss man natürlich auch Pausen machen, in welchen sich nicht nur mit Fast-Food eingedeckt wird, sondern auch Jogurt und Schokomilch, spendiert von Herrn Teske (Vorsitzender der Agrargenossenschaft Dankmarshausen und Initiator des Gedenksteins in Abteroda), genossen wird. Und so geht die Fahrt weiter, die Rede wird fertiggestellt und an die Schüler verschickt. Einige beginnen sofort mit dem Üben ihrer Textpassagen, andere ziehen es vor, Spiele zu spielen und sich so ihre Zeit zu vertreiben.

Gegen 16:00 Uhr erreichen wir Paris mit seinem hohen Verkehrsaufkommen. Das Ziel, noch einmal das Versailler Schloss zu besichtigen, können wir damit nicht einhalten. Nachdem wir unsere kleinen, aber feinen Zimmer beziehen, machen wir uns auf den Weg zum Abendessen. Dabei können wir von außen noch einen raschen Blick auf das Schloss erhaschen, bevor es zu Pizza, Pasta und Salaten in ein nettes Restaurant geht.

Am Abend geht es, nach einer kleinen Besprechung, früh ins Bett. Viele unserer Gruppe sind zu müde, um sich lange wach zu halten. Das frühe Aufstehen hinterlässt seine Spuren. Doch für ein paar kurze Übungen der Rede muss vor dem Schlafengehen noch Zeit sein. Danach werden die Lichter gelöscht.

Am nächsten Morgen liegt die Aufregung schon beim Aufstehen in der Luft.

Nach einem kurzen Frühstück versammeln wir uns und gehen die Rede zwei Mal durch. Es ist nicht perfekt. Unser deutscher Akzent schimmert deutlich hindurch. Und doch ist es genug, um uns zufrieden zu stellen. Danach wird sich fertig gemacht und ein kleiner Trip in den Versailler Schlossgarten beginnt. Wir teilen uns auf und jeder sieht sich selbst etwas um, wobei die Lehrer den Rundweg unterschätzen und der ein oder andere sich in den gewundenen Wegen verläuft. Aber schlussendlich schaffen es alle heil zusammenzukommen und nach einem kurzen Picknick geht es weiter, denn die Schüler der Versailler Schule Saint-Jean-Hulst erwarten uns. Durch den Regen machen wir uns auf den Weg und werden an der Schule direkt von freundlichen Organisatorinnen des Treffens und den Lehrerinnen begrüßt. Wir warten einen kurzen Moment, bevor wir uns in den Klassenraum begeben, wobei wir von der Größe der Schule sehr beeindruckt sind. Mit unseren Französischkenntnissen können wir nur wenig prahlen, wenn man sie mit dem guten Deutsch der jungen Franzosen vergleicht.

Nach dem Schulbesuch geht es zurück in die Herberge, wo sich noch einmal in Schale geworfen wird. Natürlich müssen auch die Texte durchgegangen werden, wobei die Aufregung weiterhin steigt. Die kleinsten Fehler müssen berichtigt werden und auf dem Weg zum Rathaus wird aufgeregt getuschelt. Hoffen wir, dass das gut geht.

Im Rathaus werden wir nett empfangen und begeben uns direkt in den Raum, in welchem die Zeremonie stattfinden soll. In einer Rede des Bürgermeisters von Versailles, François de Mazières, welche freundlicherweise von Frau Günther übersetzt wird, finden wir heraus, dass Madame Fleury selbst in diesem Raum geheiratet hat. Es folgt eine weitere Rede vom Bürgermeister Weimars, Peter Kleine, und eine kurze Vorstellung der Gewinner des französischen Wettbewerbes, welche ebenfalls eingeladen wurden, bevor unser großer Auftritt folgt. In geordneter Reihenfolge stellen wir uns auf und treten jeweils vor, um zu sprechen. Und der Auftritt gelingt. Er ist nicht perfekt, aber das haben wir auch nicht erwartet. Viel wichtiger ist, dass wir bei den anderen Anwesenden Eindruck hinterlassen haben, ganz Besonders bei Madame Fleury, welche daraufhin ihre Ehrenbürgerschaft überreicht bekommt. Eifrig werden Fotos und Videos von diesem Moment gemacht, den wir glücklicherweise mitbekommen durften. Nach einem kleinen Imbiss dürfen wir Madame Fleury noch einmal selbst sprechen. Sie sagt, dass sie den Deutschen nicht böse ist und hofft, dass wir, die nächste Generation, nicht zulassen, dass etwas wie der Holocaust und die Deportation je wieder geschehen wird. Ihre Worte berühren uns und natürlich bleiben sie uns im Gedächtnis.

Nach diesem kleinen Gespräch geht es mit Frau Günther, dem Weimarer Oberbürgermeister Peter Kleine und seinem Mitarbeiter noch in eine Pizzeria, um den wunderbaren Abend beim Abendessen ausklingen zu lassen. Tatsächlich treffen wir in der Pizzeria noch einmal Madame Fleury und ihre Familie. Herr Kleine lädt uns alle auf ein Getränk ein, es wird geredet und sich ausgetauscht und der Abend geht langsam zu Ende, bevor wir uns wieder in die Herberge begeben. Hier wird direkt schon einmal für die Abreise etwas gepackt, bevor es zu Bett geht.

Am nächsten Morgen stehen wir gut gelaunt auf, bevor es mit dem Bus wieder nach Deutschland geht. Wir freuen uns über dieses großartige Erlebnis und haben auch reichlich zu erzählen, als wir am Abend heimkehren.

Es kann nur gesagt werden, dass wir uns geehrt fühlen, an dieser Zeremonie teilgenommen zu haben. Unsere kleine Truppe hat mit diesem Erlebnis eine weitere starke Erinnerung und Erfahrung gesammelt, die uns noch einmal etwas zusammengeschweißt hat. Nun liegen der Wettbewerb und unser Sieg in der Vergangenheit und wir hoffen, dass unser diesjähriger Beitrag ähnlich gut bei der Jury ankommt. Was ebenfalls in der Vergangenheit liegt, ist der Holocaust und die Deportation und während wir unser Erlebnis sicher nicht vergessen werden, droht dieses geschichtliche Ereignis mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten. Was wir gelernt haben ist, dass wir stark dagegen ankämpfen werden, denn was vergessen wird, droht sich zu wiederholen. Wir sind die Generation, die das alles schon nur noch aus Erzählungen der Überlebenden kennt und wenn diese nicht mehr sind, liegt es an uns, an diese schreckliche Zeit zu erinnern. Das ist auch, was wir aus unserem Projekt, welches eher spontan und ohne große Erwartungen entstanden ist, mitnehmen: Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht vergessen und die Opfer und Überlebenden ehren!

Danksagung: Wir möchten natürlich auch nicht diejenigen vergessen, die uns diese Reise und unvergessliche Erfahrung ermöglicht haben. Allen voran Frau Franka Günther, die diese Veranstaltung mit organisiert und verschiedene Stellen dazu bewegt hat, uns zu unterstützen. Auch Herr Uwe Teske von der Agrargenossenschaft Dankmarshausen hat uns mit seinen Kontakten sehr geholfen. Ebenso danken wir Landrat Krebs, der für uns Türen geöffnet hat. Dann sind natürlich die finanziellen Unterstützer zu nennen: Wir danken der Wartburg-Sparkasse Eisenach, der Firma BMW, dem Förderverein unseres Gymnasiums und dem Förderverein des „Weimarer Rendez-vous mit der Geschichte“ für ihre großzügigen Zuwendungen.

(Text von Nele Baumgärtner)