Schüleraustausch in Kaliningrad vom 02.10.08 – 11.10.08
Am Freitagmittag wurde die Gruppe des Gymnasiums Gerstungen nach ca. 22 h Fahrt vor der Schule Nr. 30 herzlich begrüßt. Die Teilnehmer wurden ihren Partnern, mit denen sie größtenteils schon von Deutschland aus Kontakt aufgenommen hatten, vorgestellt und begaben sich dann zu ihren Gastfamilien. Auch der Empfang dort wurde von allen als herzlich und offen beschrieben. Mit der Unterbringung waren die Schüler im Großen und Ganzen zufrieden – hatten wir doch in der Vorbereitung vor allzu „luxuriösen“ Erwartungen gewarnt. Es war viel besser, als von manchem angenommen.
Für den Samstag stand ein erstes Kennenlernen der Stadt auf dem Programm. Zunächst besichtigten wir das Bernsteinmuseum – ein Muss im „Bernsteinland“.
Die Führung durch das Königstor konfrontierte uns mit der Geschichte der Stadt, die bereits in den Vorbereitungsveranstaltungen Thema gewesen war. Ein Film in russischer Sprache mit englischen Untertiteln erleichterte das Verständnis.
Das Wandeln auf den Spuren der Geschichte wurde fortgesetzt mit der Erkundung der Ruine des Königsberger Schlosses. Eine junge Studentin, die erst seit kurzem Deutsch lernt, beeindruckte uns mit einem fast akzentfreien Vortrag über die Geheimnisse des Schlosses.
Der Nachmittag endete am Platz des Sieges, nicht ohne der neuen Christus-Erlöser-Kathedrale einen Besuch abzustatten und die Schüler an Ort und Stelle mit Besonderheiten der russisch-orthodoxen Kirche vertraut zu machen.
Der Sonntag sollte „Familientag“ sein. Wie sich herausstellte, hatten außer den Lehrern auch noch andere am Austausch beteiligte Familien die Idee, ihre Gäste nach Swetlogorsk, Nobelbad an der Ostsee, zu entführen.
Jedenfalls trafen wir auf der Strandpromenade einige bekannte Gesichter. Das Wetter war fast sommerlich, alle waren gut gelaunt und genossen, trotz einiger Sprachprobleme, den herrlichen Tag an der Bernsteinküste. Die Lehrer waren von den russischen Kolleginnen ins Hermann- Brachert- Museum eingeladen worden.
Für den Montag war neben Unterricht die Exkursion auf die Kurische Nehrung vorbereitet worden. Exkursionsleiterin war eine Biologielehrerin der Schule Nr. 30, die auch eine interessante Unterrichtsstunde zur Fauna und Flora des Kaliningrader Gebietes gestaltete.
Zunächst besichtigten wir die Feldstation „Fringilla“ der Vogelwarte Rybatschij und machten uns mit der wichtigen Arbeit der Ornithologen vertraut, die mit den Forschungen auch einen Beitrag zur Bekämpfung der Vogelgrippe leisten.
Anschließend begaben wir uns auf eine kurze Wanderung zur Düne „Epha“, von der aus man einen großen Teil der Kurischen Nehrung überblicken und bis nach Litauen schauen kann. Außerdem sind von hier aus die Dünenbefestigungen besonders gut zu sehen.
Bei strahlendem Sonnenschein wagten sich einige zumindest mit den Füßen ins kalte Ostseewasser oder suchten am Strand nach Bernstein, bevor wir in die Stadt zurückkehrten.
Der Dienstag begann wieder mit Unterricht – die deutschen Gäste nahmen an verschiedenen Unterrichtsstunden der Gastgeber teil, während die Lehrer sich zum Empfang beim Direktor versammelten, wo in entspannter Atmosphäre über schulische Probleme, Sprachenwahl in Deutschland und Russland, Pläne für den Rücktausch im Frühjahr u.a. gefachsimpelt wurde.
Interessant waren die speziell für die Gäste vorbereiteten Stunden über die Geografie und die Geschichte des Kaliningrader Gebietes. Neue Informationen gesellten sich zu bereits Bekanntem aus der Vorbereitung zu Hause. Vieles wurde gefestigt, neue Vokabeln sammelten sich in den Heftern.
Nach dem Mittagessen in der Mensa der Schule begaben wir uns zum Dom, wo wir ein Orgelkonzert erleben durften. Die Orgel ist die größte im Ostseeraum und gerade erst fertiggestellt. Natürlich wandelten wir auch auf den Spuren Immanuel Kants, besichtigten das Kant-Museum und sein Grabmal an der Rückseite des Doms. Von der unermüdlichen Bautätigkeit in der Stadt konnten wir uns beim Spaziergang durch das „Fischerdorf“ überzeugen. Die verbleibende Freizeit verbrachten die Schüler beim Shoppen (Bernstein!), in einer Pizzeria oder anderswo.
Der Mittwoch begann wieder mit Lehrveranstaltungen – zunächst gemeinsam mit den Gastgebern, dann gesondert bzw. in andere Klassen und Fächer integriert.
Im Deutschunterricht der 7. Klasse hörten wir zum Beispiel, wie sich russische Schüler ihre Traumschule vorstellen und übten gemeinsam mit ihnen deutsche Zungenbrecher. Die russischen Schüler hatten sich viele deutsche Fragen an die Gäste überlegt, die diese russisch beantworten mussten – so verlor auch der Letzte seine Scheu, sich in der Fremdsprache auszudrücken. Kleine Fehler waren schnell korrigiert und alle hatten viel Spaß.
Besondere Mühe hatte sich die Biologielehrerin gemacht, um uns mit Fauna und Flora vertraut zu machen. In dem attraktiven Biokabinett waren drei Tische für Gruppenarbeit vorbereitet – Wald, Wiese und Wasser sollten die jeweils dort beheimateten Pflanzen und Tiere zugeordnet bekommen – selbstverständlich mit russischen Bezeichnungen! Das war aber nicht das einzige Problem. Wie sich herausstellte, waren nicht alle sattelfest im Bestimmen von Blättern bzw.Bäumen. So gab es neben vielen neuen Vokabeln gleich noch Nachhilfe in Biologie. Mit Laptop und Beamer und entsprechender Software musste dann ein Schema der Nahrungskette ausgefüllt werden, und zum Schluss war schauspielerisches Können gefragt – pantomimisch mussten Tiere, deren Bezeichnung jeweils ein Schüler russisch ins Ohr geflüstert bekam, dargestellt und von den anderen erraten werden. Die Stunde war durch sehr viel Schüleraktivität und großen Lexikzuwachs gekennzeichnet. Danke, Natalja!
Außerdem nahmen die Schüler auch am Englischunterricht teil. Gegen Mittag fand in der Aula das Konzert der Gastgeber statt. Wie schon im vergangenen Jahr boten sie ein abwechslungsreiches Programm, bestehend aus Liedern, Gedichten, Instrumentalstücken und Tänzen, dar. Auch wir hatten einige Beiträge vorbereitet. Trotz krankheitsbedingter Probenausfälle vor der Fahrt klappte alles ganz gut und wurde von den Gastgebern auch entsprechend honoriert – „Katjuscha“ sangen wir am Schluss alle gemeinsam.
Nach dem Mittagessen setzten wir unsere biologischen Studien im Museum der Weltmeere fort. Die Schüler standen begeistert vor den Aquarien und wussten dann sogar, wie der eine oder andere Fisch im Russischen heißt. Ebenfalls auf dem Gelände am Pregel liegen das ehemalige Forschungsschiff „Witjaz“ und ein U-Boot. Beide Objekte konnten von den Schülern selbstständig erkundet werden.
Der Donnerstag war als gemeinsamer Abschlusstag geplant. Jürgen Leiste, Leiter des Naturschutzzentrums „Moosbruchhaus“ im Hochmoor „Großes Moosbruch“, hatte die Vorbereitung organisiert. Bereits im vergangenen Jahr hatten wir unter seiner fachkundigen Führung die Schönheiten und Gefahren des Hochmoors und Interessantes über die Geschichte der Gegend kennen gelernt und waren so begeistert gewesen, dass wir der russischen Seite den Vorschlag gemacht hatten, hier den letzten Tag gemeinsam zu verbringen.
Herr Leiste konnte zwar selbst leider nicht anwesend sein, hatte aber eine Kollegin nebst zweier Studenten der Biologischen Fakultät der Kant-Universität gebeten, die Exkursion zu begleiten. Viel Neues über Entstehung und Aufbau des Moores, seine Tier- und Pflanzenwelt erfuhren die Schüler – nasse Füße gab’s gratis dazu. Beim anschließenden Mittagessen wurden russische Köstlichkeiten auf den Tisch gebracht, u.a. Borschtsch und Salate. Wegen der Größe der Gruppe wurde in Abteilungen gegessen. Während sich die Schüler dann draußen mit Spielen und Gesang vergnügten, nahmen die Lehrer ihr Essen ein.
Anschließend machten sich einige auf den Weg zu einem kleinen alten deutschen Friedhof in Gromowo und versuchten, die Grabsteininschriften zu entziffern.
Für’s geplante Lagerfeuer war es leider zu windig, aber alle hatte auch so einen schönen gemeinsamen Abschlusstag.
Am Freitagmorgen hieß es dann Abschied zu nehmen – das war bei einigen eine tränenreiche Angelegenheit. Aber man sieht sich ja wieder – im Frühjahr 2009 in Gerstungen.
Mit russischen Fähnchen winkend verließen wir das Schulgelände per Bus Richtung Busbahnhof, wo die Gruppe des Eisenacher Elisabeth-Gymnasiums, die die Woche am Partnergymnaiusm in Gusew verbracht hatte, wieder zu uns stoßen sollte.
Nun stand der Heimfahrt nichts mehr im Wege. Da die Grenzkontrollen zeitlich in der „Norm“ lagen, konnten wir uns einen Abstecher nach Frombork (Polen) leisten, um die Kathedrale und den Kopernikusturm mit Foucaultschem Pendel zu besichtigen.
Auch die Müden und Unentschlossenen rafften sich auf, erkletterten den Turm und wurden mit einer grandiosen Aussicht auf’s Frische Haff belohnt.
Einen unfreiwilligen Aufenthalt gab es dann noch in Malbork während eines Staus. Wir machten das Beste daraus und betrachteten im Vorbeifahren ausgiebig die Marienburg, eine Festungsanlage der Superlative.
Die Weiterfahrt verlief ohne Probleme, und gegen 6.30 Uhr am Samstagmorgen konnten die Eltern ihre Kinder in Gerstungen in Empfang nehmen.
Unser Dank gilt allen russischen Kolleginnen und Kollegen, die den Austausch vorbereitet haben, den Familien für die herzliche Aufnahme und gute Verpflegung, den Busfahrern Herrn Volkenand und Herrn Schäfer von der KVG Eisenach mbH für den sicheren Transfer und der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch für die finanzielle Unterstützung.
Der Gegenbesuch in Gerstungen wird im März (15.3.-22.3.09) stattfinden.
Wir freuen uns darauf, die russischen Gäste bei uns zu begrüßen und hoffen, dass sie hier genauso herzlich aufgenommen werden wie wir in Kaliningrad.
U.Köppe