Der Besuch meines Plan- Patenkindes in Peru (S.Frank)

Seit etwa 1½ Jahren ist Resaida Huillca aus Choquecancha mein Patenkind. Da Resaida zu Beginn der Patenschaft gerade erst 2 Jahre war, schrieb an ihrer Stelle ihr Vati Bernardo (23 Jahre) oder ihre Mutti Christina (20 Jahre) diktierte, da sie nur Quechua spricht und nicht schreiben kann, einem Plan-Mitarbeiter. Etwa ½  Jahre vor unserem Besuch (mein Mann war natürlich mit dabei), mussten wir diesen im Plan-Büro in Hamburg anmelden.

Am 20.07.03  war es dann endlich soweit. über Plan wussten wir von den Lebensverhältnissen in Choquecancha und besorgten für die Familie auf einem landestypischen Markt in Cusco v.a. Lebensmittel (Reis, Bohnen, Obst, Salz, Zucker, öl), Spaten und Hacke für die Feldarbeit und Papier für die Schule. Für Resaida hatten wir schon einen kleinen Rucksack mit Geschenken aus Deutschland dabei. Um 8.30 Uhr holten uns 2 Mitarbeiter von Plan im Hotel ab. Wir fuhren die 112 km bis Choquecancha in 3h (1h Asphaltstraße und 2h Schotterpiste), überquerten einen Pass auf 4200 m Höhe und bestaunten die atemberaubende Landschaft. Die schmale Straße ging immer sehr nah am Abgrund vorbei und vor jeder Kurve wurde gehupt, um den möglichen Gegenverkehr von unserem Kommen zu unterrichten. Manchmal tauchten einzelne Lehmhütten auf, vor denen meist recht kleine Kinder Alpakas oder Schafe hüteten. Es wurde immer staubiger und rumpelte heftig, ab und zu ein kleiner Wasserlauf und Frauen, die am Wasser Wäsche wuschen; dann  zwei Ortschaften, in denen Plan seine Hilfsprojekte schon abgeschlossen hatte. Dort tragen die Dorfbewohner nun Eigenverantwortung, bekommen aber auch weiterhin beratende Unterstützung. Kurz vor unserem Ziel fuhren wir an einer Gruppe Männer vorbei, die vom Markt kamen. Sie waren mit bepackten Alpakas nach Hause unterwegs, denn in Choquecancha gibt es keinen Laden oder Markt. Endlich war Choquecancha am Berghang (3700 m Höhe) in Sicht, Lehmhütten und kleine Felder mit Melonen. Mais, Kartoffeln und Bohnen waren bereits geerntet. Auf dem Dorfplatz fielen als Erstes Reste der Inkamauern aus dem 15. Jh. auf. Sogar Teile der Bewässerungsanlagen der Inkas funktionieren heute noch. Schweine laufen frei herum, ein Brunnen in der Mitte des Platzes. Dort stellten wir unser Auto ab. Vor einigen Lehmhütten standen Frauen mit ihren Kindern und beobachteten uns neugierig. Ein Plan-Mitarbeiter aus Lares (8 km entfernt), der als Dolmetscher half, da er Quechua und Spanisch spricht, erwartete uns schon. Er führte uns zu der Hütte von Resaidas Oma. Christina und die Oma umarmten uns und begrüßten uns ganz herzlich als Paten-Mama und Paten-Papa. Mit einer einladenden Handbewegung wurden wir aufgefordert, das Haus zu betreten. Resaida hielt sich während der ganzen Zeit an Christinas Rockzipfel fest. Sie war ziemlich ängstlich, da wir nicht nur Fremde waren, sondern auch durch unsere hellere Hautfarbe für sie sehr ungewohnt aussahen. Neben dem Eingang, an der Stirnseite des Hauses, befand sich eine kleine Kochstelle. In der Hütte war es sehr dämmrig, denn als Schutz gegen die Kälte in der Nacht,war das einzige Fenster mit Lehmziegeln ausgefüllt. Da die Peruaner sehr gastfreundlich sind, bekamen wir frisch gekochte Kartoffeln und Eier angeboten. Dann unterhielten wir uns über Resaida, über unsere Kinder und den Kartoffelanbau. So erfuhren wir, dass in Peru 200 verschiedene Kartoffelsorten angebaut werden. Natürlich fragten wir auch nach Bernardo, denn ich hatte gehofft, auch ihn kennen zu lernen. Bernardo war aber, da ja die Arbeiten in der Landwirtschaft erledigt sind, als Lastenträger auf dem Inkatrail zum Machu-Picchu unterwegs und kommt dadurch oft wochenlang nicht nach Hause. Deshalb leben Resaida und Christina in dieser Zeit bei der Oma. Obwohl Bernardo viele Wochen unterwegs ist und Christina wunderschöne Handarbeiten für den Markt anfertigt, reicht das Geld gerade zum Leben. Luxus kennen die Einwohner Choquecanchas nicht. Alle Lehmhütten hier sind ohne Wasser, Strom und ohne Toilette. Wasser holt man aus dem Brunnen, zum Waschen geht man zum nächsten Fluss und als Toilette dient der Feldrand. Am Abend bringt eine Kerosinlampe etwas Licht in die Dunkelheit und ab und zu treffen sich einige Dorfbewohner, darunter auch Bernardo und Christina beim Dorfältesten, das ist nämlich der einzige Einwohner Choquecanchas, der ein Radio besitzt. Das Leben ist für Christina und Bernardo nicht leicht und auch die kleine Resaida lernt schon früh, im Haushalt und auf dem Feld zu helfen. Unsere Unterhaltung war nicht ganz einfach, da unser Spanisch oft von Renzo, dem Plan-Mitarbeiter aus Cusco, noch einmal für den Dolmetscher wiederholt werden musste und dieser übersetzte dann für Christina und die Oma in Quechua und umgekehrt. Nach dem Gespräch überreichten wir Christina und der Oma unsere mitgebrachten Geschenke, für die sie sich mehrmals herzlich bedankten. Nur Resaida versteckte sich weiter hinter Christinas Rockzipfel und ließ sich auch nicht von einem bunten Ball und einem kleinen Plüschtier dort hervorlocken. Dann gingen wir gemeinsam nach draußen und Renzo und mein Mann machten Fotos. Danach besuchten wir mit Christina und Resaida zusammen die Plan-Projekte. Zuerst waren wir im Kindergarten. Dort fühlte sich Resaida unter den anderen Kindern gleich wohl und endlich sah ich sie auch lachen. Für die Kinder hatten wir Papier, Buntstifte, Luftballons und Süßigkeiten dabei. Die Kindergärtnerin forderte die Kinder auf, sich auf ihre Plätze zu setzen. Renzo gab mir die Luftballons in die Hand und ich sollte jedem Kind davon einen geben. So sagte ich etwa 35 Mal: „Bitte.“ und sah in die gespannten, großen Kinderaugen. Alle Kinder bedankten sich und mein Mann blies dann noch einige Luftballons auf, um den Kindern zu zeigen, was sie mit ihren Luftballons anfangen können. Ein ganz cleverer kleiner Junge kam darauf sofort nach vorne, streckte meinem Mann seinen Luftballon entgegen und forderte ihn zum Aufblasen auf. Die Kindergärtnerin und die Plan-Mitarbeiter lachten herzlich über diese Situation. Nun durften wir noch mit Christina und Resaida die Schule besuchen. Choquecancha hat eine Grundschule mit 180 Schülern. Dort lernen die Schüler Quechua. Viele Kinder haben einen sehr weiten Fußweg zur Schule. Plan unterstützt die Schule mit Unterrichtsmaterialien und auf dem Hof lagen Lehmziegel zum Bau von Latrinen (Trockentoiletten). Außerdem bekommen alle Kinder vor Unterrichtsbeginn Kekse mit vielen Vitaminen und Proteinen, was vielleicht auch für viele Mütter ein Argument ist, die Kinder in die Schule zu schicken. Es war gerade Pause und wir wurden durch die Lehrer und Schüler sehr freundlich begrüßt. Wir kamen sofort miteinander ins Gespräch und die Lehrer freuten sich sehr über unser mitgebrachtes Papier, die Buntstifte, Spitzer und die weiße und bunte Kreide aus Deutschland, die mir Herr Lindner mitgab. Von der Direktorin wurde ich auch gefragt, ob nicht unsere Schule an einer Patenschaft mit der Grundschule interessiert sei und ich versprach ihr, an unserer Schule danach zu fragen. Als der Unterricht wieder begann, nahm uns einer der Lehrer mit in seine Klasse. Dort wurden wir als Besucher aus Deutschland herzlich begrüßt. Die Kinder zeigten mir stolz ihre Hefte, in denen sie gerade lernten, das Wort „Mama“ zu schreiben. Auf der anderen Heftseite hatten sie ein Bild von ihrer Mama gemalt. Der Lehrer fragte die Klasse, ob sie denn für die Besucher ein Lied singen wollen. Lautstark erhielt er ihre Zustimmung. So bekamen wir sogar noch ein Ständchen in Quechua. Wir begleiteten Resaida und Christina noch nach Hause, dort verabschiedeten wir uns auch von der Oma und umarmten uns alle noch einmal ganz fest. Der Abschied viel mir schwer, aber da wir uns nun kennen, ist das Briefeschreiben viel einfacher geworden. Da ich alle aufgenommenen Fotos auch meinem Patenkind geschickt habe, hoffe ich, dass uns Resaida vielleicht beim nächsten Besuch wieder erkennt. Dann kann ich mich auch von den Fortschritten im Dorf überzeugen, denn die Gelder der Patenschaften werden für Selbsthilfeprojekte für das ganze Dorf verwendet. So stehen alle Bewohner hinter den Projekten und es gibt keinen Neid. Die nächsten Vorhaben im Dorf, sind der Bau einer Trinkwasserleitung und die bessere Eigenversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten. Bis Lares begleitete uns der Dolmetscher. Dort befindet sich, da Lares etwas größer als Choquecancha ist, eine Schule für die Kinder der Klassen 5-8. Ab Klasse 5 lernen die Schüler dann auch Spanisch. Leider beenden aber viele Kinder in Peru nicht einmal die Grundschule, da sie schon früh arbeiten müssen, um den Lebensunterhalt der Familie mit zu sichern. Auf dem Rückweg unterhielten wir uns nur wenig. Zu stark waren meine Eindrücke vom Besuch bei Resaida. Wie wird die Zukunft von Resaida und ihrer Familie aussehen? Oft wissen wir gar nicht zu schätzen, wie gut es uns eigentlich geht. Vieles in unserem Leben sind Selbstverständlichkeiten und auch ich bin oft viel zu egoistisch. Zurück in Cusco bedankten wir uns bei Renzo und dem anderen Plan-Mitarbeiter. Ich versprach den Beiden, in meiner Schule von Plan zu erzählen. Dabei dachte ich eigentlich nur an andere interessierte Lehrer. Nach einem kurzen Gespräch mit Herrn Taubert, der sowieso schon beabsichtigte, die Schüler für Patenschaften zu interessieren, telefonierte ich mit dem Plan-Büro in Hamburg. Von dort bekam unsere Schule Material für Klassenpatenschaften, das wir an die Klassenlehrer verteilten. Ich bin mir sicher, auch mit kleinen Beiträgen, kann man viel bewirken.

Sylvia Frank (Geografielehrerin)