Die theaternasen. spielen Shakespeares STURM

2016 ist Shakespeare-Jahr. Mal wieder. Und nachdem sich die theaternasen 2014 dem großen Dramatiker mit einer Inszenierung des UBU ROI auf eher distanziert-ironische Weise genähert hatten, wollen sie zu Shakespeares 400. Todestag den Meister selbst zu Wort kommen lassen. Nach 17 Jahren Theaterarbeit wagen sich die SpielerInnen der Theater-AG des Philipp-Melanchthon-Gymnasiums zum ersten Mal an einen Shakespeare-Text!

Die Wahl der theaternasen fiel auf The Tempest, den STURM, da gerade der für eine Beschäftigung mit Shakespeare – weil etwas aus der Art geschlagen – besonders lohnend erscheint. Lohnend vor allem wegen der Grundfrage, die der Text aufwirft, der Frage nach der allgemein gültigen Wahrheit über die Beschaffenheit unserer Welt. Auf der Bühne nämlich erscheinen (märchenhafte) Figuren, von denen eine jede einen in sich stimmigen Lebensentwurf vertritt – nur passen die Entwürfe nicht zueinander, werden durch andere relativiert, ja sogar aufgehoben. Und keine der Figuren ist irgendwie eindimensional, durch eine jede gehen die Widersprüche mitten hindurch, ob nun durch den als Opfer sympathischen Prospero oder das gewissenlose Triebwesen Caliban, den Usurpator Antonio oder die weltfremde Miranda; ja sogar der Geist Ariel hat neben seiner neckisch-hellen auch eine abgründig-düstere Seite…

O brave new world, that has such people in’t! – O schöne neue Welt, die solche Wesen trägt.

Dies dürfte wohl der bekannteste Satz aus Shakespeares Sturm sein. Und diese Berühmtheit verdankt er Aldous Huxley, der ihn zum Titel seines dystopischen Romans wählte. Was bei Huxley bitterböse Ironie ist, ist – zumindest aus Mirandas Mund – durchaus ernst gemeint. Denn diese, mit ihrem Vater Prospero durch Intrige auf eine (paradiesische?) Insel verschlagen, sieht im zarten Alter von etwa 14 Jahren zum ersten Mal andere Menschen als ihren Vater und dessen Sklaven Caliban; ach ja, der Luftgeist Ariel war auch noch da als Dienstpersonal, und sorgte für ein sorgloses Inselleben. Soweit war alles gut. Nun aber beschwört der zauberkundige Papa Prospero einen Sturm herauf, der zu einem Schiffbruch führt und an der Insel just diejenigen anspült, die ihn nebst Tochter vor Jahren von Mailands Thron wegintrigierten. Rache ist Blutwurst! Sollte man meinen. Doch irgendwie macht das Rachespielen nach so vielen Jahren auf der einsamen Insel keinen rechten Spaß und so wendet sich alles zum Guten. Irgendwie. Prospero verzeiht den Böslingen, Miranda bekommt ihren Prinzen, Ariel ist wieder sein eigener Herr und Caliban bekommt seine Insel zurück. Eine schöne Romanze. Vordergründig jedenfalls, denn – wie gesagt – jede dieser Figuren ist auf ihre Art problembeladen….

Wie inszeniert man den Sturm? Wie geht man um mit der Zauber-Insel-Welt? Baut man – gegen die Tradition elisabethanischen Theaters – ein opulentes Bühnenbild und versetzt den Zuschauer in eine Bilder-Orgie oder vertraut man auf Shakespeares Wort-Kulissen und setzt vor allem auf die Stärke seiner Sprache? Wie inszeniert man ein Zauberstück mit Schiffbruch, Geistern und verkorksten Figuren?

Das Konzept der theaternasen: Mit Hilfe des Puppenspiels. Wer auch immer die Insel des Prospero betritt, wird zu dessen Marionette, zum Spielzeug, zur Puppe. Und so bevölkern eben nicht nur menschliche Spieler (Prospero, Miranda, Caliban) die Bühne des Atriums, sondern auch sechs ca. 1 m große Puppen, die jeweils von zwei bis drei Spielern in Bewegung gesetzt werden. Und an dieser Stelle wurde es für die theaternasen besonders interessant: Was passiert mit dem Spieler, wenn er die Figur nicht mehr selbst verkörpert, wenn er sich nicht selbst bewegt, sondern (zusammen mit einem oder zwei anderen Spielern) eine Puppe bewegt? Was passiert mit dem Spieler, wenn er seine Stimme „verleiht“, wenn seine Sprache das Publikum erst über ein zwischengeschaltetes Medium erreicht? Was passiert zwischen Spieler und Puppe? Entwickeln Puppen ein Eigenleben? Wie funktioniert das, wenn eine Figur von einem Menschen, sein Gegenüber aber von einer Puppe gespielt wird?

Lassen Sie sich also einladen zu zwei besonderen Theaterabenden am

  1. und 30. April

jeweils um 21.00 Uhr im Atrium des Philipp-Melanchthon-Gymnasiums

Clemens Krause

Spielleiter der theaternasen