Die theaternasen spielen www-slums von – oder eher: NACH – René Pollesch

Was ist das denn? Eine zehnteilige Theaterserie für vier Schauspieler wird hier in eine Stunde gepackt und von 17 jungen Akteuren auf einer Bühne gezeigt, die aussieht, als hätte in einem Ikea-Kissenlager eine Bombe eingeschlagen? Ist das euer Ernst?

Ist es. Es ist uns sogar sehr ernst damit. Also mit dem Stück an sich, mit seinem grandiosen Text, mit seiner Tiefe, seiner Klage, seinen Fragen, seinem Witz, seinem Klamauk. Das Stück hat keinen Anfang, keinen Höhepunkt, kein Ende. Es hat keine Fabel, es wird nichts erzählt. Die Figuren sind schräg. Sehr schräg. Und ihre Welt ist es auch. Eine Zukunftswelt zwar, doch mit erschreckend viel Gegenwart:
Die Bewohner der world wide web-slums sind obdachlos in ihrer Wohnung, sie arbeiten und sie leiden unter der Arbeit, die zu leisten sie sich selbst auferlegen. Sie hadern mit sich und einer Welt, die sie nicht verstehen. Sie haben Computer. Körpercomputer. Sie sind Computer. Die Bewohner der world wide web-slums sind ausgestattet mit jeglichem materiellen, besonders elektronischem Schnickschnack. Sie gehen nicht mehr raus aus ihrer Behausung, alles, was sie brauchen oder auch nicht brauchen, wird per Internet bestellt, wird geliefert. Kontakte gibt es nur noch an der Haustür mit dem Lieferanten vom Deliveryservice. Die Bewohner der world wide web-slums sind Homeshopper. Sie sind Homeworker in der Hoch- oder Tieftechnologie. Sie drehen das Hamsterrad der Globalisierung.

„Ich liebe meine Arbeit! Ja, gut. ICH LIEBE MEINE ARBEIT! Aber manchmal frage ich mich, ob Liebe wirklich das Wichtigste ist in meinem Leben!“

Es wird also gefragt in diesem Stück Theater, monologisierend, dialogisch, im Wortgefecht, im Wortgemetzel. Leise-nachdenklich, laut, schreiend, verzweifelt, springend zwischen Pathos und Banalität. Es wird geruht und getobt, gesungen und geschwiegen, aufgebaut und zerstört. Die Zuschauer, rings um eine runde Bühne platziert, sind nicht Guckkastentheaterpublikum. Sie sind nah dran am, ja eigentlich drin im Geschehen, sitzen selbst mit auf der Bühne, werden von den Akteuren mit bespielt, befragt, angeschwiegen und angeschrien.
Ist das euer Ernst? Ist es!

17. und 19. Mai 2018, 21 Uhr, Atrium des Gymnasiums Gerstungen